Mission Mensch: Vinzenzstüberl feiert 20-Jahr-Jubiläum
1998 gründete Sr. Benildis, Ordensfrau bei den Barmherzigen Schwestern Linz, gemeinsam mit einigen Freiwilligen und unterstützt vom zugehörigen Linzer Krankenhaus das nach dem Ordensgründer benannte Vinzenzstüberl für Wohnungslose und Bedürftige. Mit einem von Bischof Manfred Scheuer und dem stv. evangelischen Superintendenten Mag. Andreas Hochmeir zelebrierten Festgottesdienst im Linzer Mariendom und einer stimmungsvollen Agape feierten ihre Nachfolgerin Sr. Tarcisia, zahlreiche Helfer, Betreute und Ehrengäste vergangenen Samstag 20 Jahre Einsatz im Namen der Humanität.
© eventfoto.at, Wolfgang Kunasz-Herzig
In seiner Ansprache betonte Bischof Scheuer, die Bettlerdiskussion habe viel Hilflosigkeit im Umgang mit Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit sichtbar gemacht. Es gebe auch die seelische Obdachlosigkeit, der man oft hilflos gegenüberstehe. Scheuer wörtlich: "Was heißt es heute, Lebensfreude zu vermitteln angesichts von Depression und Resignation? Wie können Lebensräume erschlossen werden für Menschen, die unter psychischer Obdachlosigkeit leiden? Wie kann Bindungsunfähigen, Süchtigen, Asylanten, Arbeitslosen gesagt: Du bist etwas wert, du hast einen Platz, ich schreibe dich nicht ab? Wie können Vereinsamung und Vereinzelung, Lebensunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit überwunden werden? Was ist mit der Sprachlosigkeit und den Kontaktängsten?"
Bischof Scheuer nahm auf den Ordensgründer der Barmherzigen Schwestern, Vinzenz von Paul, Bezug, der die Barmherzigkeit Gottes gelebt habe. Scheuer wörtlich: " Vinzenz von Paul zeichnet es aus, dass er bei der groß angelegten Hilfe der Qualität den Vorrang vor der Quantität gibt. Er ist geprägt von der Entschiedenheit zur Tat, von Einfallsreichtum, von der Nüchternheit der Methode und von der Wärme des Herzens. Es ist ihm gelungen, zwei Dimensionen zu vereinen: das Erbarmen, das konkrete Erbarmen mit dem konkreten Menschen, die spontane Regung der Liebe, den Blick ins Auge des Bedürftigen, mit dem Jesus sich identifiziert, einerseits, und die Methode, die auf den Erfolg hin rationalisiert ist, auf der anderen Seite. In ihm wächst eine Gotteserfahrung, die ihn zum Handeln drängt. Als Genie der Nächstenliebe ist er bezeichnet worden." Von der Bibel her sei Zeit die zentrale Währung der Liebe, betonte Scheuer: " Nur wer sich für den anderen Zeit nimmt, kann sich auf den anderen einlassen, ihn lieben."
Gedanken von Bischof Manfred Scheuer zum Nachlesen
Bischof Manfred Scheuer. © eventfoto.at, Wolfgang Kunasz-Herzig
Ein offenes Ohr für jeden
„Eine Einrichtung für Wohnungslose und Bedürftige muss in Haltung und Handeln mehr bieten als ein warmes Mittagessen.“ Dieser Grundsatz prägt die Arbeit des engagierten Teams bis heute. Schon im Gründungsjahr kamen 70 bis 80 Gäste täglich. Heute sind es rund hundert mehr, die das Vinzenzstüberl pro Tag aufsuchen. Sie bekommen Essen, Kleidung und medizinische Hilfe, können Wäsche waschen, Duschen oder sich die Haar schneiden lassen. Vielen suchen aber auch ein gutes Gespräch, Trost und Rat, wollen als einfach als Mensch angenommen werden, auch wenn sie gerade ganz unten im Leben sind. Tatkräftige Hilfe zum Helfen kommt im medizinischen Bereich vom Ordensklinikum Linz und den Barmherzigen Brüdern, das Essen stellt Kulinario zur Verfügung. Rotary Club Linz, die Ordensschwestern und vielen große und kleine Spender ermöglichen den laufenden Betrieb und neue Hilfsangebote. Tragende Säule der täglichen Abläufe sind die freiwilligen Helferinnen und Helfer, die bei der Essensausgabe, in der Kleiderstube und der Schneiderei, als Deutschlehrer und sogar als Friseurin und in der Fußpflege im Einsatz sind.
Sr. Tarcisia und Obdachlosenseelsorger Helmut Eder (r.) sorgen für ein herzliches Willkommen im Vinzenzstüberl. © Herbe / Ordensklinikum
2011 übernahm Sr. Tarcisia die Leitung der Einrichtung von ihrer Vorgängerin Sr. Benildis. Fast jede/n ihrer KlientInnen kennt sie persönlich. „Es sind auch schwierige Zeitgenossen darunter. Aber jeder hat ein Recht auf jemanden, der ihm zuhört, Mut macht, ihn als Person akzeptiert. Diese Würde macht uns erst vom Lebewesen zum Menschen“, ist sie überzeugt. Mit so manchem obdachlosen Menschen verbinden sie berührende Erlebnisse oder langjährige Beziehungen. Ein offenes Ohr hat sie für jede/n. Und einer ganzen Reihe ihrer Schützlinge haben Sr. Tarcisia und die HelferInnen im Stüberl letztendlich auch die letzte Ehre erwiesen, als diese verstarben. Einige von meist nur wenigen Menschen, die einem unglücklichen Leben zumindest beim Abschied einen Rest Würde gaben. Die 2016 eingeführte Begräbnisbegleitung gemeinsam mit Obdachlosenseelsorger Mag. Helmut Eder ist ebenfalls auf Initiative von Sr. Tarcisia hin entstanden.
Schwester Tarcisia, die "gute Seele" im Vinzenzstüberl. © eventfoto.at, Wolfgang Kunasz-Herzig
Menschlichkeit in Zahlen – die Bilanz des Vinzenzstüberls
Zahlen wie einige der aktuellsten aus dem Jahr 2017 vermitteln nur einen von vielen Blickwinkeln auf ein Projekt. Aber sie machen stolz. Stolz auf eine ausschließlich von freiwilligem Engagement getragene Einrichtung, die Menschen in Not täglich Humanität in ihrer direktesten und ungefilterten Form schenkt.
- 1.077 einzelne Menschen besuchten das Vinzenzstüberl 2107. Die meisten sind Dauergäste, wenige EinmalbesucherInnen. 449 kamen im Jahr 2017 neu dazu.
- 27.477 Portionen Mittagessen verspeisten die BesucherInnen.
- 5.790 Frühstücke wurden an Wochenenden und Feiertagen ausgegeben.
- 202 Menschen nahmen die Arztsprechstunde in Anspruch.
- 327-mal war Sr. Maris Stella im Friseureinsatz, 87-mal stand Fußpflege auf dem Programm.
- 10.574 Kleidungsstücke haben 1.477 neue BesitzerInnen gefunden.
- 932 Trommeln Wäsche wurden für die Bedürftigen gewaschen.
Nuklearmediziner Dr. Christian Schiller öffnet einmal wöchentlich eine Hausarztordination im Vinzenzstüberl. © Herbe / Ordensklinikum
Mehr zum Vinzenzstüberl und die Festschrift zum Download
Claus Hager | Kommunikation Ordensklinikum Linz