ORF-Abteilungsleiterin Krenn betont hohen Stellenwert von Religion
Vergleicht man den Anteil der Religionsberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa, so hat der ORF das "mit Abstand" größte Religionsangebot. Darauf hat die Leiterin der ORF-Hauptabteilung Religion und Ethik, Barbara Krenn, am 4. Oktober 2023 im Bildungshaus Schloss Puchberg bei einem Themenabend über Religion in den Medien hingewiesen. Je nach Zählweise gebe es im ORF 19 regelmäßige tägliche bzw. wöchentliche Sendungsformate in Radio, Fernsehen und - mit religion.ORF.at und "Topos" - im Internet, die religiöse bzw. ethische Themen aufgreifen. Schon allein, dass der ORF diesem Bereich eine Hauptabteilung zuordnet, zeigt laut Krenn den hohen Stellenwert von Religion, Glaube, Theologien und Spiritualität.
ORF-Religionsjournalisten und Journalistinnen wollten "keine Richter", wohl aber "Konsumentenschützer" im Bereich der Religion und Sinnangebote sein. Dem Publikum solle Orientierung am "Markt der Religionen" geboten werden. Krenn: "Wir wollen jede Religion, ohne sie zu vereinnahmen, einerseits mit ihrem Ursprung konfrontieren - z.B. mit Jesus Christus oder mit dem Propheten - und andererseits mit dem humanen Ethos - z.B. mit den Menschrenrechten."
Dem kritischen Zugang der Aufklärung verpflichtet, frage die ORF-Hauptabteilung Religionsvertreter und Gläubige, wie sie es mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft halten. Der Fokus liege aber auch auf dem Verhältnis der Religion zur Politik, auf jenem zur pluralen Gesellschaft - also zu Andersgläubigen und Nichtgläubigen, sowie: Wie sieht es mit Mitbestimmung, mit der Gleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau aus? Die diesbezüglichen Gegebenheiten in der Römisch-katholischen Kirche werden nach den Worten Krenns auch bei der Berichterstattung über die Bischofssynode im Oktober in Rom ein Thema sein.
Die Hauptabteilungs-Chefin plädierte für einen Journalismus, der sowohl die individuelle als auch die institutionelle und gesellschaftliche Dimension von Religion beachtet. "Ausgangspunkt unserer Berichterstattung ist der Mensch, für den Glaube und Spiritualität bedeutend sind, der feiert und Feste begeht, der zweifelt und vor ethischen Entscheidungen steht, der aber auch lebenszerstörende Strukturen mit Religion und Glaube erlebt hat oder der aufgrund persönlicher Erfahrungen, einschneidender Erlebnisse oder Krisen zum Glauben findet."
"Unabhängigkeit ist Grundprinzip"
Über alle gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich und darüber hinaus solle in "respektvoller Nähe" und zugleich in "kritischer Distanz" berichtet werden, "Unabhängigkeit ist dabei unser Grundprinzip", sagte Krenn. Sie äußerte die Überzeugung, dass Religion "keine Sonderwelt" darstelle, sondern immer auch eine gesellschaftspolitische Dimension habe. Immerhin stehe Religion immer wieder im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn es um die Frage geht, ob sie zum Frieden beiträgt oder Konflikte anheizt, welche Rolle sie beim Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit oder Lebensschutz spielt, oder ob Religion öffentlich oder Privatsache ist. Gerade in Zeiten von Fake News, "wo jeder und jede nach Belieben über soziale Medien Unwahrheiten verbreiten kann", ist laut Krenn auch der Religionsjournalismus im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags von enormer Bedeutung.
Abschließend verwies die ORF-Verantwortliche auf das von ORF und Universität Wien getragene Projekt "Was glaubt Österreich?". An dessen Ende im kommenden Jahr soll eine repräsentative Studie vorliegen, die Auskunft darüber gibt, was die Wert- und Glaubensvorstellungen der Menschen in Österreich charakterisiert angesichts großer gesellschaftlicher Entwicklungen wie Säkularisierung, Pluralisierung und Digitalisierung. Die Abteilung "Religion und Ethik multimedial" erhielt dafür diese Woche eine Auszeichnung der "United Religions Initiative" (URI).